Warum dieses "Special"?
Dass eine Pfeifenorgel zu mehr gut ist als nur die altehrwürdigen Komponisten wie Bach, Reger, Franck, Widor usw. darauf zu spielen, ist bekannt. Zu allen Zeiten schon wurden Klavier- und Orchesterwerke auf die Orgel transkribiert. Seit einigen Jahrzehnten gibt es außerdem immer wieder Versuche, Jazz und Blues auf der Kirchenorgel zu spielen. Spätestens hierbei gehen die Meinungen auseinander: Was dem einen als Sakrileg erscheint, ist für den anderen einfach nur genial. Seit vielen Jahren schon spielt Maria Scharwieß – Kreiskantorin in Berlin-Schöneberg – Jazz-, Blues-, Folk- und Gospel-Improvisationen nach Wunsch auf der Kirchenorgel. Bevor sie 1979 ihr A-Examen in Kirchenmusik abschloss, spielte sie zehn Jahre lang hauptberuflich in einer Band Keyboard. Auch ein guter Freund von mir, Albrecht Gündel-vom-Hofe, der neben dem Piano in seinem Jazz-Quintett auch Jazz-Improvisationen auf der Pfeifenorgel spielt, hat mich diesem Thema näher gebracht. Weltweit aber hat sich niemand im Bereich "Jazz & Blues auf der Pfeifenorgel" einen solchen Namen gemacht wie Barbara Dennerlein. Grund genug, ihr und dem Thema Jazz & Blues ein "Special" auf der Orgelseite zu widmen. |
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Von der Hammond- zur Kirchenorgel
Barbara Dennerlein – Jahrgang 1964 – hat sich schon in jungen Jahren in den Klang der Hammond-Orgel verliebt. Mit 11 Jahren kaufte ihr Vater – selbst ein Orgel-Fan – die erste Heimorgel, die Barbara fortan nicht mehr los ließ. Später frönte sie Ihrem Enthusiasmus auf einer originalen (zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr in Serienfertigung produzierten) Hammond B3, auf der sie neben dem klassischen Standard-Repertoire auch zahlreiche eigene Kompositionen entwickelte. Im Alter von 15 Jahren trat sie bereits regelmäßig in Clubs auf; mit 20 Jahren wurde sie als "Orgel-Tornado aus München" gefeiert und die Los Angeles Times titelte: "German Organist Pumps You out". Ihre zahlreichen (unter eigenem Label veröffentlichten) Schallplattenalben wurden vielfach ausgezeichnet. Eine Spezialität von Barbara war schon immer das virtuose Spiel auf dem (wie bei einer großen Pfeifenorgel) voll ausgebauten Pedal. Was lag also näher, als das, was für sie auf der Hammond schon selbstverständlich war, auch auf einer großen Kirchenorgel auszuprobieren? Dies tat sie bei den Bachtagen in Würzburg 1994. Seitdem beschäftigte sie sich intensiver mit der "Königin der Instrumente", der Auschöpfung ihrer klanglichen Möglichkeiten und mit der Herausforderung, das im Vergleich zur Hammond-Orgel doch etwas träge Instrument zum Swingen zu bringen. |
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Mittlerweile ist Barbara auch an allen großen Pfeifenorgeln der Welt zu Hause und eine gern gesehene Interpretin bei Orgelkonzerten der besonderen Art. Von den rund 120 Konzerten im Jahr 2008 spielt sie 50 entweder ausschließlich an Kirchen- oder Konzertsaalorgeln oder aber als zweigeteiltes Hammond- / Pfeifenorgel-Konzert. Das Foto rechts entstand bei einem ihrer Konzerte im Februar 2008 am Spieltisch der großen Sauer-Orgel der Konzerthalle (ehem. Ulrichskirche) in Halle an der Saale. Jazz & Blues auf CD |
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Im Jahr 2002 brachte Barbara ihre erste an einer Kirchenorgel aufgenommenen CD mit eigenen Kompositionen heraus: Spiritual Movement No. 1. Darauf findet man Kuriositäten wie "Rankett-Blues" oder "Psychedelic Cluster" aber auch bearbeitete Klassiker wie "Ain't Misbehavin'" und "Tin Tin Deo", eingespielt auf der großen Goll-Orgel von St. Martin, Memmingen. Das Foto links zeigt Barbara am Spieltisch der Goll-Orgel in Memmingen. Wie der vorige CD-Titel bereits andeutete, sollte es eine Fortsetzung dieser Reihe geben. Diese kam im Herbst 2008 als Live-Mitschnitt eines fulminanten Konzerts im November 2007 an der großen Schuke-Orgel der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Berlin. Schon der erste Titel "The Unforgettable" – gemeint ist der "unvergessene" Jimmy Smith – legt flott los und endet, wie etliche weitere Stücke auch, so schräg und abrupt, dass man vom Habitus eher an eine Hammond B3 in einem Jazzclub denkt. Dieses Stück beinhaltet auch ein Pedal-Basssolo, zu dem es Spontan-Applaus gibt, was in einer Kirche eher selten vorkommt... Völlig gegen den Kirchenorgel-Strich gebürstet ist das wild-wüste "I-797", das durch die üppige Orgel-Instrumentierung einen phänomenalen Groove entwickelt. "I-797" thematisiert den Eiertanz um die – letzten Endes doch noch erfolgreiche – Erlangung des US-Arbeitserlaubnisformulars nämlichen Namens. Danach legt Barbara noch einmal "Funkish" los, um in "New York Impressions" schließlich Bachs d-moll-Toccata jazzmäßig zu verarbeiten. Auch der von ihr bearbeitete Stones-Klassiker "Satisfaction" bekommt auf der Kirchenorgel einen völlig neuen Drive. Foto links: Barbara am Spieltisch der Schuke-Orgel in Berlin. Genug der Worte – kommen wir zum Entscheidenden: Der Musik und den Klangbeispielen. Viel Spaß! |
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