Orgeln: Pfeifenarten, Pfeifenformen und Register


Hinweise: Die Zeichnungen auf dieser Seite sind Scans aus dem Buch "Die Orgel" von Friedrich Jacob (Schott Verlag), die textlichen Ergänzungen in den Skizzen stammen von mir. Die Abbildungen der Labial- und Lingualpfeifen können durch Anklicken vergößert werden.

Die Klangbeispiele stammen von der CD "Das Geheimnis Orgel", gespielt von Paul Wißkirchen an der Altenberger Domorgel mit freundlicher Genehmigung der TMK-Gruppe
Medienproduktion & Vertrieb, Köln.



Die Grundpfeifenarten

Die Pfeifenart und -form wirkt sich entscheidend auf die Klangfarbe und Lautstärke des erzeugten Tons aus. Es gibt zwei Grundarten von Orgelpfeifen, die den Ton nach verschiedenen Prinzipien erzeugen: Die Labialpfeifen (auch Lippenpfeifen genannt) und die Lingualpfeifen (auch Zungenpfeifen genannt).


Die Labialpfeifen bestehen aus einem Pfeifenkörper, der unterschiedlichen Formen haben kann, und einem Pfeifenfuß, durch den die Luft einge- blasen wird. Trennend zwischen Fuß und Körper liegt der Kern, der eine schmale Spalte frei lässt, durch die die Luft in Verwirbelung gerät und dadurch den darüber liegenden Pfeifenkörper zu Schwingungen anregt. Die Anzahl der Schwingungen und damit die Frequenz (= Tonhöhe des erzeugten Tons) wird bestimmt durch die Länge dieser Luftsäule, also der Länge des Pfeifenkörpers. Die Länge des Fußes hat keinen Einfluss auf die Tonhöhe (mehr zu Pfeifenlängen und Tonhöhen ist hier zu finden).

Nicht nur das verwendete Material und die Pfeifenform, sondern auch der Pfeifendurchmesser, die Breite des Labiums, die Aufschnitthöhe und der verwendete Winddruck beeinflussen die Klangfarbe und Tonstärke der Labialpfeifen. Labialpfeifen werden durch ihre Form klassifiziert (z.B. offen oder gedeckt), durch ihr Material (Metall in verschiedensten Legierungen oder Holz) sowie üblicherweise durch ihren Durchmesser, die so genannte Mensur. Hier unterscheidet man

      •   Weitchor = weite Mensur: Flöten = weicher fülliger warmer Klang Klangbeispiel: Flöten 16' + 8' + 4'
      •   Engchor = mittlere Mensur: Prinzipale = klarer etwas kerniger Klang Klangbeispiel: Prinzipale 16' + 8' + 4'
      •   Solochor = enge Mensur: Streicher = scharfer schwächerer Klang Klangbeispiel: Streicher 16' + 8' + 4'
Diese Einteilung ist natürlich nur grob, es gibt auch Misch- und Übergangsformen. Mithin ist die Wahl der Mensur auch abhängig von der Größe des Raumes, den die Orgel klanglich füllen muss.


Bei den Lingual- oder Zungenpfeifen hingegen spielt sich alles Entscheidende im Pfeifenfuß ab: Die eingeblasene Luft trifft auf die Zunge, die als federndes Metallblatt auf der seitlichen Kehlenöffnung liegt, von dort etwas absteht und am oberen Ende an der Kehle befestigt ist (da die Kehle von einem nach unten verschlossenen aber oben und seitlich offenen Röhrchen gebildet wird, nennt man Zungenpfeifen auch "Rohrwerke"). Dies alles ist in den Kopf (die "Nuss") eingebohrt und mit dem Aufsatz (Schallbecher) verbunden, der als Resonanzkörper wirkt.

Wenn nun die Zunge zwischen ihrer Ruhestellung und der Kehlenöffnung hin- und herschwingt, ergibt dies einen schnarrenden Ton, der völlig anders klingt, als Töne, die von Labialpfeifen erzeugt werden. Je nach Form und
Länge des Schallbechers kann so ein zarter Säuselton oder ein kräftiger Tuba- oder Trompeten-Ton erzeugt werden. Klangbeispiel: Zwei verschiedene Trompetenbatterien 16' + 8' + 4'

Anders als bei den Labialpfeifen ist die Länge des Schallbechers nicht für die Tonhöhe verantwortlich, sondern seine Form und Länge bestimmen die Klangfarbe des erzeugten Tons. Man kann den Schallbecher beinahe beliebig verkürzen, dann wird nur der Ton schwächer, die Tonhöhe verändert sich nicht, da sie nur von der Länge der schwingenden Zunge abhängt. Umgekehrt gilt: Je länger der Schallbecher ist, desto sonorer und kräftiger ist der erzeugte Ton. Die Tonstärke hängt – und hier gibt es wieder eine Parallele zu den Labialpfeifen – natürlich in großem Maße auch vom Winddruck ab: Je höher der Winddruck, desto kräftiger und obertonärmer der Ton.

Zungenpfeifen werden gestimmt durch die Stimmkrücke, die die Länge der schwingenden Zunge reguliert. Da die Zunge im Vergleich zu Labialpfeifen gleicher Tonhöhe erheblich kleiner ist, verstimmen sich Lingualpfeifen eher und sind empfindlicher gegen Temperaturschwankungen. Damit die Stimmung einigermaßen bequem und schnell erfolgen kann, ist die Stimmkrücke oben aus dem Kopf herausgeführt, so dass man sie einfach hin- und herbewegen kann.



Pfeifenformen und Registerbezeichnung

In der so genannten Disposition werden alle Pfeifenreihen der Orgel aufgelistet. Eine Pfeifenreihe besteht aus so vielen Einzelpfeifen gleicher Bauart, wie Tasten auf der Klaviatur sind: Jede Taste führt zu je einer korrespondierenden Pfeife entsprechender Länge (Tonhöhe). Solche Pfeifenreihen werden Register genannt. Anhand des Registernamens kann man die Bauart und Klangfarbe der jeweiligen Pfeifenreihe erkennen. Bei einer Mixtur werden jeder Taste der Klaviatur jeweils mehrere Pfeifen unterschiedlicher Tonhöhe gleichzeitig zugeordnet (meistens entsprechend der Obertonreihe des Grundtons, wodurch eine Klangaufhellung oder Klangfärbung entsteht, siehe Klangbeispiele unten). Ein Register kann also mehr als eine Pfeifenreihe ("Ranks") besitzen.

Eine Besonderheit ist die Schwebung, die dadurch erreicht wird, dass eine normale und eine leicht dagegen verstimmte Pfeifenreihe zusammen erklingt. Solche "verstimmten" Register heißen z.B. Vox coelestis, Voix céleste, Celeste, Unda maris oder auch einfach nur Schwebung (siehe Klangbeispiel unten rechts).

Die gebräuchlichsten Orgelregister und Pfeifenformen sind nachfolgend abgebildet:

Und hier sind einige Klangbeispiele dazu:

Prinzipale 16' + 8' + 4'
Prinzipal-Plenum mit Mixtur
Flöten 8' + 4'
Kornett (Flöten / Gedackte 8' + 4' + 2 2/3' + 2' + 1 3/5')
Gamben 16' + 8' + 4'
Salicional (enge Gambe) mit Schwebung
Trompete 8' (deutsche Bauart)
Trompette 8' (französische Bauart)
Spanische (Horizontal-) Trompete 8'
Bombarde 16' (französische Basstrompete im Manual)
Grands Jeux (= großer Zungenchor, ggf. mit Kornett)
Posaune 16' (kräftige Basstrompete im Pedal)
Kontraposaune 32'
Oboe 8'
Krummhorn 8'
Dulzian 16'
Orlos 8' (horizontales Regal)
Vox humana 8' (mit Tremulant; Erläuterung hier)



Direkte Links zu anderen Bereichen der Orgelseite:

      •  Selbst eingespielte Klangproben
      •  Tonhöhen und "Fuß"-Bezeichnungen
      •  Übersetzungstabelle von Orgelregistern in zehn Sprachen
      •  Spaß-Disposition – der Traum (?) eines jeden Organisten :-)



Intonation

Auch wenn der Name zweier Register gleich lautet, heißt das noch nicht, dass diese Register gleich klingen müssen. Dies liegt an der "Intonation", d.h. an der Mensurierung (s.o.) und dem Aufbau der Pfeifenreihe, z.B. an der Höhe des Aufschnitts, der Form der Labien, dem Winddruck (siehe Funktionsweise), dem Material, usw.

Intonation ist die Kunst, die einzelnen Register so aufeinander abzustimmen, dass sie unter den jeweiligen akustischen Gegebenheiten des Kirchenraums optimal klingen und dies nicht nur einzeln, sondern auch gemeinsam (Mischfähigkeit). Außerdem kann man bei großen Orgeln, in denen der gleiche Registername mehrfach vorkommt, diese unterschiedlich intonieren, so dass sich eine größere Klangvielfalt ergibt. Dies ist z.B. gut zu hören bei den obigen Klangbeispielen der unterschiedlichen Trompetenregister.

Mehr zum Thema Intonation finden Sie auf der Homepage von Rainer Janke.